„Schaatz, hast du den Autoschlüssel gesehen?“ – „Nein, aber ich glaube er liegt auf dem Küchentisch.“ „Aber da habe ich gerade gesucht und ihn nicht gefunden:“ „Na, dann weiß ich´s auch nicht.“ So in etwas könnte man sich eine Alltagssituation zwischen zwei Eheleuten vorstellen. Was ist Glaube und was ist Wissen? Wir glauben, etwas zu wissen, sind aber dann oft doch recht ratlos.

Es lohnt sich, diese Begriffe einmal zu definieren, weil sie derzeit Hochkonjunktur haben. Denn wir alle sind Informationen ausgesetzt, wo es wichtig wäre, zu wissen, ob sie ihre Richtigkeit haben. Vieles, was wir präsentiert bekommen, glauben wir aber nicht – und das in beiden Lagern der Gesellschaft.

Dabei verhärten sich die Fronten, weil jede Seite glaubt, mit ihren Informationen im Recht zu sein und die andere Seite verurteilt. In unserem Deutschland der Dichter und Denker ist unsere Gesellschaft gespalten und irgendwie hat es den Anschein, dass wir diesen Riss, der durch alle sozialen Schichten geht, nicht wirklich kitten können.

Dabei lohnt es sich, diese beiden Begriffe einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wenn wir definieren, wovon wir reden und die Dinge auch klar benennen können, reden wir nicht mehr aneinander vorbei und bilden so eine Basis für eine wertschätzende Kommunikation.

Mein Wunsch ist, dass dieser Blogartikel Denkanstöße vermittelt, um wieder miteinander in den Dialog zu kommen und die Spaltung zu überwinden.

Was verstehen wir also unter Glauben oder Wissen?

In unserem Kopf entstehen sofort Begriffe und Bilder, wenn wir diese beiden Worte lesen. Der eine denkt bei Glauben an die Weltreligionen, bei Wissen an die Naturgesetze oder Naturwissenschaft. Aber gibt es eine noch bessere Begriffsdefinition?

Fragen wir doch mal Wikipedia!

Bei Glauben finden wir folgende Definition:

Unter Glauben versteht man ein Fürwahrhalten ohne methodische Begründung. Glauben in diesem Sinne bedeutet, dass ein Sachverhalt für scheinbar (hypothetisch) wahr oder wahrscheinlich gehalten wird. (…)

Glauben im alltäglichen Sprachgebrauch ist also eine Vermutung oder Hypothese, welche die Wahrheit des vermuteten Sachverhalts zwar annimmt, aber zugleich die Möglichkeit einer Widerlegung offenlässt, falls sich die Vermutung durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse als ungerechtfertigt herausstellen sollte.

Das Verb „glauben“ kann jedoch in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet werden, etwa (in Bezug auf Personen) in der Bedeutung von „jemandem vertrauen“ oder auch in juristischen Kontexten.

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Beim Glauben prüft man also eine Information nicht unbedingt nach, sondern vertraut der Person oder der Quelle, die sie uns übermittelt. Wir übernehmen also eine Aussage, ohne dafür eine methodische Begründung zu erfragen. Interessant auch die Definition, dass wir einen Sachverhalt dann zwar als wahr annehmen, aber uns die Möglichkeit offenlassen, dass er dies nicht der Fall sein könnte. Beim „Glauben“ geht es also um einen Vertrauensvorschuss, der revidiert werden kann.

Wie sieht es dann mit dem Begriff des Wissens aus?

Auch hier finde ich es interessant, was uns das Lexikon dazu liefert:

Als Wissen wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den höchstmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird.

Paradoxerweise können als Wissen deklarierte Sachverhaltsbeschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein. (…) Da in der direkten Erkenntnis der Welt die gegenwärtigen Sachverhalte durch den biologischen Wahrnehmungsapparat gefiltert und interpretiert in das Bewusstsein kommen, ist es eine Herausforderung an eine Theorie des Wissens, ob und wie die Wiedergabe der Wirklichkeit mehr sein kann als ein hypothetisches Modell.

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Der Begriff des Wissens scheint also kein endgültig und eine in Stein gemeißelte Wahrheit zu sein, da sie auch unvollständig sein kann. So wie sich die Menschheit auch immer weiterentwickelt und neues Wissen ansammelt, das Altes in Frage stellen kann. Der Schlüssel zu unserem jetzigen Wissen liegt nach der Definition in unserer Wahrnehmung, unseren 5 Sinnen. Wissen ist also kein hypothetisches Modell, sondern es muss mit unserer Beobachtung oder Wahrnehmung übereinstimmen. Wenn dies nicht zutrifft, ist auch das Modell nicht zu gebrauchen.

Unser Denken versucht also zu jedem Zeitpunkt, eine Übereinstimmung zwischen unserer Wahrnehmung und unseren Gedanken herzustellen. Ist das der Fall, werden wir innerlich ruhig, so als ob wir dann eine Erkenntnis gewonnen haben. Denn unser Körper verarbeitet die Informationen intuitiv – und wenn er eine Abweichung zwischen der äußeren Wahrnehmung und dem angebotenen Modell wahrnimmt, stellt sich Unbehagen ein. Vielleicht spürst du das ja im Moment auch und kannst es nicht richtig einstufen?

Wie war das eigentlich in der Menschheitsgeschichte? Haben sich unsere Vorfahren auch schon diese Fragen zu Glauben und Wissen gestellt?

Geistiges Sehen und Wissen in der Weltgeschichte

Gehen wir 5000 Jahre zurück, also um das Jahr 3000 vor Christus, war spirituelles Wissen ein Privileg der Eingeweihten oder geistigen Seher. Hohenpriester oder Pharaonen hatten die Gabe, in die geistige Welt zu „sehen“ und so alle notwendigen Informationen für die Menschen oder die Leitung des Staates übermittelt zu bekommen.

Im alten Indien, oder auch Veda, nannte man sie Rishis, in der persischen Kultur spricht man von Zaratustra und später, ca. 600 Jahre vor Jesus Christus, gab es Buddha, der diese Fähigkeit besaß. Die Menschen machten keinen Unterschied zwischen Glauben und Wissen, da es in den geistigen Hierarchien keine Illusion geben kann. Übrigens konnten die Pyramiden damals so gebaut werden, wie wir sie noch heute bewundern können, weil die Informationen hierzu aus der geistigen Welt kamen. Physikalische oder mathematische Gesetze gab es damals noch nicht!

Die Menschen der damaligen Zeit sahen also in den Formen der Architektur oder hochentwickelten Städtebausystemen, dass diese geistige Welt existierte und sich in der Materie in ihrer vollendetsten Form zeigte.

Aristoteles und das wissenschaftliche Denken

Das änderte sich erstmals im Jahre 500 vor Christus, als die alten Griechen ihre Philosophieschulen eröffneten und dort wissenschaftliches Denken gelehrt wurde. Aristoteles stand dort im Gegensatz zu Platon für die Beobachtung der Natur und die Erforschung der naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Aristoteles orientierte sich an der Materie, an der Natur und begründete die Logik, die ein Bestandteil unseres menschlichen Denkens ist.

Im 15.Jahrhundert wird diese Methodik dann wieder aufgegriffen und zwar dann, als die Naturphilosophie aufhört, zu existieren und die moderne Naturwissenschaft geboren wird. Man „philosophiert“ also nicht mehr, sondern man beobachtet die Natur und gewinnt daraus Erkenntnisse.

Naturwissenschaft und selbstständiges Denken

Dieser Siegeszug der Naturwissenschaft in seinen verschiedensten Bereichen der Physik, Mathematik, Astrologie etc. ist die Welt, in der wir heute leben und wie wir sie kennen. Es hat uns ermöglicht, selbst zu denken, uns Erkenntnis selbst zu erarbeiten und nicht nur den Göttern oder geistigen Hierarchien zu vertrauen, dass sie uns das geistige Wissen übermitteln.

Deshalb wird „Wissen“ in der heutigen Zeit mit „Naturwissenschaft“ gleichgesetzt. Dabei haben wir ja in der Begriffsdefinition gesehen, dass dieses Wort viel umfassender zu verstehen ist. Denn heute haben wir uns zwar die Materie in vielen Bereichen erschlossen und sind in der Lage komplexe Maschinen zu bauen, dafür haben wir den geistigen Bereich fast vollständig aus unserem Leben verbannt.

Die geistige Welt existiert nicht mehr – die Materie ist alles! Was nicht „anfassbar“ oder „messbar“ ist, existiert eben nicht. Und wenn man es nicht beweisen kann, muss man es eben glauben, oder? Es entsteht so ein Beigeschmack von „unseriös“ oder „unprofessionell“, meist wird es auch abgewertet oder lächerlich gemacht.

Aber dennoch: viele Menschen sehen das nicht so. Sie spüren innerlich, ich würde sagen, ihre Seele spürt es, dass es eine geistige Ebene gibt. Sie spüren, dass wir Menschen geistige Wesen sind, die auf dieser Welt eine Erfahrung machen, um uns weiterzuentwickeln. Wir sind nicht von dieser Welt. Die Sinnhaftigkeit unseres Lebens lässt sich eben mit keiner Naturwissenschaft nachweisen.

Gewissheit erlangen

Wie können wir also Glauben und Wissen wieder zusammenführen? Warum müssen diese Bereiche im Widerspruch liegen, warum spaltet uns dies als Gesellschaft so stark?

Nun, wie wir es alle im Moment nicht nur sehen, sondern auch fühlen können: diese Welt, die bisher immer so solide und im Gleichklang funktionierte, gerät weltweit aus den Fugen. Wir befinden uns im Schleuderprogramm der Waschmaschine – nicht im Schonwaschgang. Alle Glaubens- und Wissenssysteme kommen derzeit auf den Prüfstand. Unsere Politik, Wissenschaft, Technologie und Geschichte – ist es wirklich alles so, wie wir es immer geglaubt haben? Warum nehmen wir in uns diese Dissonanzen wahr, die in uns ein so starkes Unwohlsein hervorrufen – oder manchmal sogar Empörung oder Wut?

Wie können wir also Gewissheit erlangen? Was ist gesichertes Wissen, was „nur“ Glaube? Wem vertraue ich? Oder kann ich keinem vertrauen? Sollte ich besser meiner eigenen Wahrnehmung vertrauen?

Hier sind wir bei einem weiteren Schlüssel angelangt: unsere eigene Wahrnehmung.

Kann es sein, dass wir irgendwie abgestumpft sind? Dumpf geworden ist und deshalb die wichtigen Signale nicht mehr erkennen können? Dabei hat Wahrnehmung nichts mit Intelligenz zu tun. Man stelle sich den hochdotierten Professor vor, der nicht mitbekommt, dass seine Frau ihn betrügt und jeder im Dorf es vielleicht schon weiß außer er selbst? Der Professor hat seine Wahrnehmung ausgeblendet, denn sonst hätte er bereits bemerkt, dass mit seiner Frau etwas nicht stimmt. Wir nennen das: die Intuition.

Unsere eigene Wahrnehmung wieder schulen

Viele Menschen sind heute nicht in der Lage, zu erkennen, wem sie vertrauen können und wem nicht. Sie können nicht unterscheiden, ob jemand uns nur Honig um den Mund schmiert und uns schöne Geschichten erzählt oder uns etwas vorspielt.

Meist steckt hinter einer solchen Unfähigkeit auch eine starke Identifikation – will heißen: wir sind so mit dem Gesellschaftssystem verbunden, dass wir nicht mehr unterscheiden können, ob es gut oder schlecht mit uns meint. Wir vertrauen oder glauben den Repräsentanten des Systems einfach – schließlich konnten wir das ja bisher auch. Und wenn diese Verbundenheit sehr stark ist, dann kann es sein, dass jede anderslautende Information sofort abgeschmettert wird.

Stell dir vor, ein Bekannter kritisiert deine Schwester für ihr Verhalten. Wenn du sehr mit deiner Schwester verbunden bist, wirst du sehr wahrscheinlich emotional reagieren: „Was, du wagst es, meine Schwester zu kritisieren? Möchtest du eine auf die Mütze?“. Oder jemand greift verbal deinen Fußballklub an, in dem du alle Teammitglieder kennst und freundschaftlich verbunden bist – wie würdest du dann reagieren? Genau: so etwas nennt man starke Identifikationen. Die Verbindung ist so stark, dass jeder Angriff als eine persönliche Kritik interpretiert wird.

Emotionale Koppelungen

Vielleicht stellst du dir mal die Frage, wie stark du mit deinen Überzeugungen auch emotional verbunden bist?

Dieses Thema der emotionalen Koppelung erlebe ich sehr oft bei meinen Kunden. Wir fühlen uns unwohl, meist auch auf körperlicher Ebene, wir können aber die Ursache nicht dingfest machen.

So hatte eine Kundin eine starke Aversion, sich mit neuen Computerprogrammen zu beschäftigen und konnte sich das nicht erklären. Sie musste aber die Excel-Dateien erstellen, verschob es aber jedes Mal, weil sie sich dabei einfach unwohl fühlte. Die Ursache hierfür war ein autoritärer Lehrer, der ihr im Alter von 10 Jahren zu verstehen gab, dass einfach nicht in der Lage sei, eine mathematische Formel zu verstehen. Mit dem Glaubenssatz „ich bin nicht gut genug“ waren Emotionen der Minderwertigkeit gekoppelt.

Wenn dich dieses Thema interessiert, empfehle ich dir meine kostenfreien 5 Emotionstipps, die dir zeigen, wie du dich davon befreien kannst.

Genauso kann man sich das mit unseren Identifikationen vorstellen, die wir mit bestimmten Themen haben: ein Infragestellen würde die gleichen Ängste oder Unsicherheiten auslösen, die man vielleicht früher schon einmal erlebt hat. Das möchte man natürlich vermeiden. Also wird es ausgeblendet.

Wenn wir diese Zusammenhänge aber erkennen, können wir uns von solchen Koppelungen lösen – und unsere Wahrnehmungsfilter wieder schärfen.

Unser Denken wieder an die Wahrnehmung koppeln

Rudolf Steiner hat vor 100 Jahren die Bereiche Glauben und Wissen wieder zusammengeführt, indem er die Anthroposophie oder Geisteswissenschaft entwickelt hat. Es geht hier nicht um ein erneutes, theoretisches Philosophieren, wir vor dem 15.Jahrhundert, sondern darum, geistige Gesetze auch erfahrbar zu machen. Es gibt hier keinen Konflikt mehr zwischen Religion und Wissenschaft – die verschiedensten Wissensbereiche fließen dabei zusammen.

Man kann das nachlesen in seinem Buch „Geheimwissenschaft im Umriss“ – man nennt bezeichnet es auch als die moderne Erkenntnistheorie. Durch diese Lektüre können wir selbst erkennen, dass wir geistige Wesen sind.

Dabei koppeln wir uns von unserer materiellen Wirklichkeit nicht ab, sondern erleben, WIE wir Erkenntnis gewinnen können. Wir brauchen also eine sehr gute Wahrnehmung unserer 5 Sinne: je neutraler, je vorurteilsfreier, desto klarer.

Übrigens geht diese Art der vorurteilsfreien Wahrnehmung schon auf Goethe zurück: er betrachtete ein Thema immer aus den verschiedensten Blickwinkeln. Dabei hat jeder Blickwinkel „in sich“ eine wahre und richtige Komponente. Der „einzig wahre Weg“ existiert aus seiner Betrachtungsweise nicht.

Da Goethe auch naturwissenschaftlich dachte, entwickelte er eine Form der Wahrnehmung, die wir heute als „holistisch“ oder ganzheitlich bezeichnen würden. Dabei ist dann unser Denken das ordnende Element: es bringt Ordnung in das, was wir erfahren und bringt Abhängigkeiten in die richtige Beziehung. Wir brauchen also beides: eine gute Wahrnehmung und ein klares Denken.

Zu guter Letzt

Sind Glauben und Wissen also ein Widerspruch? Oder haben wir Menschen diese Trennung der beiden Begriffe vollzogen?

In jedem Fall sollten wir in diesen Zeiten unsere Gewissheiten überprüfen. Was wäre, wenn wir doch nicht dem vertrauen können, was uns in der Tagesschau präsentiert wird? Was wäre, wenn wir unseren Wissensstand einmal wieder aktualisieren und einem Frühjahrsputz unterziehen?

Vielleicht entstehen ja dadurch neue Erkenntnisse.

Und es gibt nichts Schöneres, als endlich eine Situation voll durchschaut zu haben. Endlich den Schleier des Irrtums und der Illusion wegziehen zu können, ist ein sehr befreiendes Gefühl. Das wünsche ich uns allen: unserer Wahrnehmung vertrauen zu können, den inneren Kompass zu justieren und die kristallklare Klarheit der Erkenntnis fühlen zu können!

Interessieren dich spirituellen Zusammenhänge? Dann empfehle ich dir mein Buch „Entdeckungsreise zu deinem Körper – das Ich und seine spirituellen Dimensionen.“ Da erfährst du sehr viel über dich, deine Entwicklung, den Sinn deines Lebens und bekommst ganz konkrete Übungen an die Hand, wie du dies in deinen Alltag integrieren kannst.